Himmlisches Reisebüro
Neulich, als ich Gott traf, wollte ich gerade eine Reise buchen. Ich rief in einem Reisebüro an: ‚Hallo, guten Tag, ich möchte gerne verreisen! Können Sie mir sagen, an welchen Ort ich fahren muss, um Gott zu treffen?‘
‚Dazu müssen Sie doch nicht fahren‘, lachte die Stimme am anderen Ende der Leitung.
‚Ach so‘, sagte ich verlegen, ‚ist es so weit, dass ich den Flieger nehmen muss?‘
‚Aber nein. Es ist gar nicht weit!‘ Ich fragte nach: ‚Ich könnte die Reise also vielleicht mit dem Fahr-rad machen?‘
‚Natürlich! Oder zu Fuß. Ganz, wie Sie möchten.‘
Ich überlegte: ‚Zu Fuß bin ich nicht so gut. Geht es nicht auch mit dem Auto?‘ Die Antwort verwirrte mich: ‚Ja, Sie können auch mit dem Auto fahren.‘
‚Aber Sie haben doch eben gesagt, ich muss nicht fahren!‘, regte ich mich auf. ‚Wie denn nun? Wie weit ist es denn eigentlich?‘
‚Ich bin immer nur ein Gebet entfernt‘, kam es aus dem Telefon.
‚Hallo? Bist du das, Gott?‘ fragte ich vorsichtig nach. Mir wurde etwas schwindelig, denn ich hatte doch in einem Reisebüro angerufen. Oder nicht?
Als hätte ich das laut gefragt, kam schon die Ant-wort: ‚Du hast im himmlischen Reisebüro angeru-fen. Und da kann es schon mal sein, dass du mich direkt in der Leitung hast!‘
Etwas verärgert sagte ich: ‚Warum hast du das denn nicht gleich gesagt? Naja, egal. Also, wie komme ich nun zu dir? Auto, Fahrrad, Flugzeug? Oder vielleicht mit der Fähre?‘ Hoffentlich nicht die Fähre, dachte ich, ich werde so schnell seekrank.
‚Hast du nicht zugehört? Es ist egal. Ich bin nur ein Gebet entfernt! Ob du das Gebet beim Wandern, im Auto, im Flugzeug oder auf dem Fahrrad sprichst, ist ganz unbedeutend. Und wenn du see-krank bist, höre ich dich trotzdem. Du kannst auch einfach zuhause bleiben.‘
Verlegen antwortete ich: ‚Ich wollte aber nicht nur mit dir sprechen. Ich wollte dich treffen.‘
Gott fragte: ‚Warum?‘ Das brachte mich zum Nach-denken. Unsere Gespräche waren doch immer ganz schön, fehlte mir da etwas? ‚Ich möchte dich richtig erleben‘, gestand ich. ‚Wo kann ich dich fin-den?‘ Ich konnte hören, wie Gott am anderen Ende der Leitung lächelte. Wie leise Musik klingt das. ‚Du findest mich in der Natur. Du findest mich in dei-nem Herzen. Du findest mich in der Begegnung mit anderen. Du findest mich in der Musik…‘
Verwirrt fragte ich: ‚Also bist du überall?‘
‚Ja, das kann man so sagen. Wenn du dein Herz dafür öffnest, kannst du mich überall finden.‘
Ich sah nachdenklich aus dem Fenster. Die Sonne ging gerade unter und der Himmel leuchtete rot und orange. ‚Ich muss jetzt auflegen‘, sagte ich, ‚ich will dich treffen.‘
Und dann ging ich in die Kirche zum Gottesdienst. Zu Fuß.
Herzliche Grüße von Ihrer und Eurer
Pastorin Marion Hild