Der weiße Fleck wird bunt

Sind Sie schon einmal in Polen gewesen? Für mich war dieses Land, obwohl in der Nachbarschaft, bis vor kurzem ein weißer Fleck. Im Juni reiste ich mit dem Konvent der Pastor*innen aus dem Kirchenkreis Altholstein für eine Woche nach Warschau. Wir entdeckten eine sehr lebendige, junge und moderne Stadt, die zugleich eine lange und wechselvolle Geschichte hat. Wir waren dort auf Spurensuche mit vielen Fragen. Im Museum der Geschichte Polens suchten wir, wann und wo es Berührungspunkte mit Deutschland gegeben hat. Im Museum des Warschauer Ghettos erfuhren wir, welche Spuren die Deutschen im Nationalsozialismus hinterlassen haben. Wie wird heutzutage die evangelisch-lutherische Kirche wahrgenommen, die weniger als 1% der Bevölkerung ausmacht? Beim Besuch einer Kirchengemeinde erlebten wir, dass es sehr verbindend ist, wenn wir über Landesgrenzen hinaus, dieselben Gottesdienste feiern und uns um Jugendliche und Senior*innen in ähnlicher Weise kümmern. Auch Unterschiede wurden wahrgenommen: Die Pol*innen sagten häufig: „Wir befinden uns im Krieg.“ Da wird die Bedrohung durch die räumliche Nähe zur Ukraine intensiver empfunden. Die Hilfe für die Geflüchteten aus der Ukraine hat dadurch aber auch einen noch höheren Stellenwert als bei uns.

Am meisten hat mich die Frage nach einer Erinnerungskultur bewegt. Müssen wir in beiden Ländern vor allem der Jugend mehr erzählen, was im Nationalsozialismus zwischen Deutschland und Polen geschehen ist und wie es dazu kam, damit so etwas nicht wieder passiert? Oder sollten wir uns in beiden Ländern vor allem für Europa öffnen und gemeinsam die Idee Europas verbreiten?

Als ich in Warschau zufällig einer großen Demonstration begegnete und sah, dass die Pol*innen für die gleichen Rechte wie wir auf die Straße gehen, für Freiheit, für Diversität, für bunte Vielfalt, für ein gutes Miteinander, und die gleichen Fahnen schwenken, da war die Antwort für mich klar: Rückblick in die Geschichte ist immer wichtig, um zu verstehen, aber noch wichtiger ist der Blick nach vorne auf ein gutes Miteinander im Schutz Europas.

Der weiße Fleck von vor meiner Reise hat sich mit Farbe, Lebendigkeit und Erfahrungen gefüllt. Und so kann ich Ihnen empfehlen: Reisen auch Sie zu unseren Nachbar*innen nach Polen, die uns mit offenen Armen aufgenommen haben. Und die evangelisch-lutherischen Gemeinden freuen sich auf Sie!

Pastorin Uta Jacobs

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